Die Reaktionen auf die Anschläge von Paris sind immer noch für merkwürdige Überraschungen gut. Genauso wie „die Welt“, über deren Berichterstattung ich mich hier schon öfters gewundert habe. Heute (am 19.1.2015) schreibt sie (Link) unter dem Titel
„EU in Sorge um Sicherheit der Juden in Europa“ dieses:
„Nach den Anschlägen von Paris und den vereitelten Terrorplänen gegen jüdische Schulen in Belgien fordert die EU-Kommission Solidarität mit jüdischen Bürgern. Sonst drohe Europa zu scheitern.“
Was bedeutet hier „Solidarität“
Tschuldigung für den Einwurf. Aber die Solidarität mit Juden in Europa ist hoch, ausgesprochen hoch. Schon lange. Auch wird ein erhebliches Maß an staatlicher Sicherheit in den Schutz der jüdischen Einrichtungen gesteckt. Alle jüdischen Einrichtungen, die ich persönlich gesehen habe, werden von der Polizei bewacht. Schon lange.
Aber: wir haben ja bei Charlie Hebdo gesehen, dass selbst Polizeischutz nicht ausreicht, wenn eine genügend große Gruppe von Attentätern mit genügend krimineller Energie und genügend militärischem Gerät sich daran setzt, diesen Schutz zu überwinden. Wenn in Zukunft vier statt zwei Polizisten Wache stehen, dann kommt man eben auch mit doppelt so vielen Attentätern.
Wer wird in die Pflicht genommen?
Stattdessen soll jetzt die gesamte Bevölkerung Europas, die demokratische Mehrheitsgesellschaft in die Pflicht genommen werden. Warum das? Es sind doch diejenigen Kreise das Problem, die sich an diesen Konsens nicht halten.
Ein Wort aus der Bibel dazu:
Tote Fliegen verderben gute Salben. Ein wenig Torheit wiegt schwerer als Weisheit und Ehre. (Prediger 10,1)
Das Problem ist der Salafismus
Und da muss man einen Namen konkret nennen, das ist der radikale Flügel des Islams, der Salafismus. Und das ist auch der Hebel, an dem man ansetzen müsste, wenn man mehr Sicherheit für Juden in Europa haben will. Dann muss man diese Szene in den Griff bekommen. Und an dieser Front passiert längst nicht genug. Stattdessen ist die Zahl der Salafisten in Deutschland in den letzten Jahren stetig gewachsen. Mittlerweile geht man von 7000 Anhängern aus (Spiegel online) Zum Vergleich: die NPD hat 5200 Mitglieder und beschäftigt die öffentliche Diskussion seit langem mehr als die Frage nach dem Salafismus.
Passiert jetzt etwas?
Nein. Die Salafisten kommen in dem Welt-Artikel gar nicht erst vor. Stattdessen heißt es
„Grundsätzlich sei er aber stolz darauf, wie die Europäer auf die Pariser Anschläge reagiert hätten, sagte der Kommissionsvizepräsident: „Zwar empört, aber ohne Hass, ohne pauschale Anschuldigungen gegen die muslimische Minderheit.“
Das ist die große Sorge der Politik, dass die Bürger Europas den Islam an sich hinterfragen könnten. Dieses Fass will man nicht aufmachen. Und deshalb wird auch die Frage nach den Salafisten gar nicht erst gestellt.
Aktionismus
Stattdessen verfällt man in Aktionismus:
Die Europäische Kommission müsse den Mitgliedsstaaten auch dabei helfen, die EU-Außengrenzen besser zu schützen, sagte Timmermans.
Dabei wird aber übersehen, dass die Attentäter von Paris schon in Frankreich waren. Sie waren in Paris geboren. Sie waren in Frankreich aufgewachsen. Sie hatten die französische Staatsbürgerschaft. Das Problem besteht im Land.
Und die Jüdische Opfer?
Noch ein Wort zu den jüdischen Opfern
„Was mich wirklich um den Schlaf bringt, ist, dass sich jetzt die Juden in Europa wieder Sorgen um ihre Sicherheit machen müssen“, sagte der Niederländer der „Rheinischen Post“. Dieses Thema sei bei den Reaktionen auf die Anschläge in Frankreich ein wenig untergegangen.
Darüber kann man sich natürlich wundern. Parallel zum Anschlag auf Charlie Hebdo hatte es eine Geiselnahme in einem Supermarkt gegeben. Auch dort starben vier Menschen, alle Juden. Es war ein jüdischer Supermarkt.
Nun fragt sich Timmermans also, wieso das in den Medien keine nicht die angemessene Aufmerksamkeit bekommen hat.
Ich denke, das ist sehr einfach zu erklären
Den Grund sehe ich darin, dass man generell die Diskussion um Religion in diesem Attentat unterbunden hat. Der Anschlag auf die Pressefreiheit, der ist einfach zu verstehen. Wer sich aber nur vorstellen kann, dass diese Tat „nichts, aber auch gar nichts mit dem Islam zu tun haben kann“, der kann sich eben auch nicht vorstellen, dass die Wahl der Geiseln für die dazugehörige Geiselnahme irgend etwas mit der Religion der Geiseln zu tun hatte. Für den musste das wie ein Zufall aussehen. Und über Zufälle wird nicht berichtet.
Aber ich glaube nicht, dass man bei diesen Anschlägen, die Religion ausklammern kann. Diese Diskussion muss endlich geführt werden.
Bildnachweis:
„Timmermans2 (9595849965)“ von Ministerie van Buitenlandse Zaken – Timmermans2. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons.