Einwand: Was einen heidnischen Ursprung hat, muß gemieden werden
In der Literatur der Zeugen Jehovas wird viel Energie darauf verwendet, einen heidnischen Ursprung für Weihnachen, Ostern und andere Festlichkeiten nachzuweisen. Die Schlussfolgerung ist dann: Was einen heidnischen Ursprung hat, muss gemieden werden. Ein Beispiel: In „Unterredungen anhand der Schriften“ (Seite 156, Stichwort Feiertage) findet sich der folgende Kommentar zu dem 2.Mose 32:4-10 (das Goldene Kalb):
Man beachte, daß die Israeliten einen ägyptischen religiösen Brauch übernahmen, ihm aber einen neuen Namen gaben ein „Fest für Jehova“. Doch Jehova bestrafte sie streng dafür. Heute sehen wir nur, welche Bräuche im 20. Jahrhundert mit Feiertagen verbunden sind. Einige erscheinen vielleicht harmlos. Jehova hingegen hat die heidnischen religiösen Bräuche, von denen sie herrühren, direkt beobachtet. Sollte seine Ansicht nicht für uns maßgeblich sein?
Bei dieser Argumentation wird allerdings etwas sehr wichtiges übersehen. Der Fehler der Israeliten bestand nicht darin, von irgendwo ein Fest zu übernehmen und dieses umzubenennen. Ihr Fehler bestand darin, sich ein Götzenbild zu machen und damit gegen ein Verbot zu verstoßen, das Gott erst kurz zuvor klar und deutlich ausgesprochen hatte:
2. Mose 20,4-6
(4) Du sollst dir kein Bildnis noch irgend ein Gleichnis machen, weder dessen, das oben im Himmel, noch dessen, das unten auf Erden, noch dessen, das in den Wassern, unterhalb der Erde ist.
(5) Bete sie nicht an und diene ihnen nicht; denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied derer, die mich hassen,
(6) und tue Barmherzigkeit an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten.
Mit anderen Worten: Die Argumentation aus „Unterredungen“ klingt auf den ersten Blick sehr gottesfürchtig, aber sie führt dennoch in die Irre. Sie stellt den biblischen Zusammenhang falsch dar.
Die Zeugen Jehovas sind übrigens nicht die einzigen, die so argumentieren. In vielen Religionen gibt es sehr rigorose Verbote. Manche Menschen scheinen nun zu denken, je mehr verboten wird, desto gottgefälliger wird man. Einige Beispiele:
- So gibt es eine Reihe von Muslimen, die Fotos ablehnen, weil sie darin einen Verstoß gegen das Gebot „Du sollst Dir kein Bildnis machen“ sehen.
- Manche Muslime lehnen sogar jede Art von Musik und Gesang ab, Koranrezitation ausgenommen.
Was hat eigentlich alles einen heidnischen Ursprung?
Das Suchen nach heidnischen Hintergründen ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Es gibt viele Dinge, die einen heidnischen Hintergrund haben, der schon lange in Vergessenheit geraten ist. Verwunderlich ist, dass die Zeugen Jehovas einen Teil dieser Dinge meiden, andere aber nicht. Ein paar Beispiele:
Das Wort „Gott“
Mein etymologisches Lexikon (Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Verlag Walter de Gruyter) führt das Wort „Gott“ auf dieselbe Wurzel zurück wie „gießen“ und meint, es habe sich zunächst auf die Opferhandlung selbst bezogen. Die alten Germanen, die dieses Wort erfunden haben, haben doch aber ganz andere Götter verehrt.Das heißt doch: Das Wort „Gott“ selbst hat einen heidnischen Ursprung und doch wird es im Wachtturm häufig verwendet! Sollen man angesichts dieses Ursprungs nun aufhören, von Gott zu sprechen? Doch wohl nicht. Die Bedeutung des Worts Gott ist heute eine ganz andere als früher. Das Wort wird schon seit rund 1700 Jahren von Christen verwendet, um den christlichen Gott zu bezeichnen.
Die Krawatte
Besonders interessant finde ich den heidnischen Hintergrund der Krawatte: Das Wort Krawatte stammt über einige Umwege aus dem Wort „Kroate“. Die Krawatte war im Mittelalter Teil der Uniform von kroatischen Soldaten. Sie hat somit einen deutlichen militärischen Hintergrund. Heißt das, ein Krawatte tragender Zeuge Jehovas identifiziert sich dadurch mit militärischen Handlungen, die ihm durch seinen Glauben eigentlich verboten sind?
Populär wurde die Krawatte in der französischen Revolution der aufständischen. Auch bei der Revolution von 1848 in Deutschland war rote Krawatte ein Erkennungszeichen der Aufständischen. Auch das ist doch wohl ein deutlicher militärischer und heidnischer Hintergrund.
Eigentlich müsste man dann doch als Zeuge Jehovas auf die Krawatte verzichten. Für den Wachtturm hingegen gehört die Krawatte zur gepflegten Kleidung. Männliche Zeugen Jehovas aus anderen Ländern, in denen unsere europäische Kleidung nicht heimisch ist, werden typischerweise in europäischer Kleidung mit Krawatte dargestellt. Wird da bei Krawatte und Weihnachten möglicherweise mit zweierlei Maß gemessen?
Was bedeutet das und was ist der biblische Maßstab?
In der Bibel wird nicht nach heidnischen Ursprüngen aus längst vergangenen Zeiten gefragt. So schreibt z.B. der Apostel Paulus:
Kol 2,20-23
(20) Wenn ihr mit Christus den Grundsätzen der Welt abgestorben seid, was lasset ihr euch Satzungen auferlegen, als lebtet ihr noch in der Welt?
(21) zum Beispiel: „Rühre das nicht an, koste jenes nicht, befasse dich nicht mit dem!“
(22) was alles durch den Gebrauch der Vernichtung anheimfällt.
(23) Es sind nur Gebote und Lehren von Menschen, haben freilich einen Schein von Weisheit in selbstgewähltem Gottesdienst und Leibeskasteiung, sind jedoch wertlos und dienen zur Befriedigung des Fleisches.
Eine weitere wichtige Passage findet sich in 1 Kor 8. Paulus geht dort der Frage nach, ob ein Christ Fleisch essen darf, dass einem heidnischen Götzen geopfert wurde, und danach auf dem Markt verkauft wurde. Paulus stuft dies als unbedenklich ein, und das obwohl dieses Fleisch nachweislich für einen heidnischen Zweck verwendet worden war.
In der Bibel wird also nicht nach Götzendienst aus ferner Zeit gefragt, sondern nach Götzendienst hier und heute. Diesen sollen wir meiden.
Wenn also bei Weihnachten der Glaube an Jesus im Mittelpunkt steht, dann ist gegen das Feiern dieses Fests aus christlicher Sicht nichts einzuwenden.